Nach einem Zwischenstopp in Thyborøn erreichen wir die Nordsee. Die 90 Seemeilen durch Limfjord waren eine interessante Erfahrung, doch jetzt freuen wir uns, wieder im offenen Wasser unterwegs zu sein. Das Wetter hat sich beruhigt, aber trotzdem haben wir viel Bewegung im Schiff. Mit Kurs Süd rollt die "Dagmar Aaen" kräftig in einer alten, aus West laufenden Dünung. Hier muss es in den letzten Tagen ordentlich geweht haben. In der Abendsonne motoren wir in den Südhafen von Hvide Sande. Auf diesem Ort am Ringkøbing Fjord sind Arved und ich besonders gespannt, denn hier wollen wir versuchen, zwei bekannte alte Schiffe zu sehen.

Nach einem kurzen Spaziergang betreten wir das picobello aufgeräumte Gelände der Hvide Sande Shipyard. Hier werden alle Arten von Wasserfahrzeugen repariert und gewartet. Wir haben allerdigs nur Augen für eine große graue Halle. Die Werft hat einen besonders guten Ruf in Sachen Holzschiffbau. Das wollen wir unbedingt aus der Nähe sehen. Freundlich werden wir von einem Werftmanager begrüßt und dann geht es hinein in das topmodern ausgestattete, gut 1500 Quadratmeter große Holzverarbeitungszentrum. Direkt vor uns stehen die beiden Objekte unseres Interesses.

Der Lotsenschoner "No. 5 Elbe" und die "Grönland". Auf Initiative von August Petermann unternahm Kapitän Carl Koldewey mit der "Grönland" 1868 die erste Deutsche Nordpolexpedition. Seit vielen Jahren gehört der kuttergetakelte Segelveteran zum Schifffahrtsmuseum Bremerhaven. Der Zahn der Zeit hat massiv an diesem historischen Dokument der Seefahrtsgeschichte genagt, deshalb wird es hier in Dänemark aufwändig restauriert.

Die obersten Eichenplanken sind demontiert und geben den Blick frei auf die massiven Spanten, die dicht an dicht für die Eistauglichkeit des Eichenrumpfes sorgten. Perfekt eingepasste neue Relingsstützen zeigen die Handwerkskunst, mit der in Hvide Sande gearbeitet wird. Gleich neben der "Grönland" steht die "No. 5 Elbe". Der alte Lotsenschoner aus Hamburg sorgte in Schifffahrtskreisen vor gut einem Jahr ungewollt für weltweite Schlagzeilen, als er auf der Elbe in eine Kollision verwickelt war und später sank. In einer aufwändigen Bergungsaktion wurde das Holzschiff gehoben und im Oktober 2019 als Fracht auf einem Küstenmotorschiff zur Hvide Sande Shipyard gebracht. Von den Schäden am leergeräumten Rumpf ist nichts mehr zu sehen. Noch in diesem Jahr soll der Lotsenschoner zurück nach Hamburg kommen und dann irgendwann wieder in Fahrt gehen.

Nach unserem Besuch auf der Werft in Hvide Sande können wir neue Crewmitglieder an Bord begrüßen. Mario und Arndt wollen die nächsten Tage mit uns segeln. Alex ist von Bord gegangen, weil er in seinem Job als Arzt gebraucht wird. Unser nächstes Ziel ist Esbjerg.


Matze