Kurs Süd

 

Wir haben die Stadt Tasiilaq verlassen, die in früheren Zeiten Ammassalik hieß, was in der sehr beschreibenden Sprache der Inuit so viel bedeutet wie ein Ort mit viel Lodde – ein herringsähnlicher Fisch, der vor allem in den Fjorden Ostgrönlands ablaicht und für die Inuit eine sehr wichtige Essensgrundlage darstellt bzw. als Köderfisch eingesetzt wird.

Wir nehmen Kurs gen Süden auf und die nordöstlichen Winde bringen uns teilweise mit vollem Segeltuch gut voran. Diese entlegene, zerklüftete Küstenlandschaft ist unbeschreiblich schön und so divers, genau wie die verschiedenen Daseinsformen der Eisberge oder etwa Teile davon. Wir erkunden Buchten, das Inlandeis Grönlands kommt hier nun bis zur Küste und lässt dessen Weite nur minimal erahnen und Sehnsüchte danach aufkommen. Auf den Inseln finden wir Reste von einer alten Siedlung, so die Steinmauern einer Behausung, die noch aufgetürmt sind. Der Eingang wie auch das Fenster, das zu der damaligen Zeit mit Robbendarm bespannt war, sowie eine große Steinplatte, die als Tisch gedient haben musste, auf dem der Trankocher zum Heizen stand, sind gut zu erkennen. Arved erklärt, dass diese solide Bauweise eine permanente Siedlung und nicht nur ein Sommercamp für die Sommermonate zum Fischen und Robbenjagen gewesen sein muss.

Südlich der Fridtjof Nansen Halbinsel, von der im Sommer 1888 der junge Norweger Fridtjof Nansen mit seiner Truppe die erste dokumentierte Inlandeisüberquerung von Ost nach West startete und erfolgreich durchführte, ankern wir. Inlandeisüberquerungen wurden zu dieser Zeit nur von der Westseite, der Diskobucht aus gestartet. Heute finden wir an seinem Startpunkt Alpenschneehühner, jedoch wie fast zu erwarten keinerlei Hinweise auf Nansens Dasein.

 

Ausschau halten nach Eis während der Fahrt eignet sich besonders gut um Wale zu finden. Wir sehen einige auf unserer Strecke, an einem Tag 23 Tiere. Finn- und Buckelwale, gut zu unterscheiden an ihrer Rückenfinne und in der Ferne auch schon an der Form der ausgeatmeten Luft, dem Blas. Finnwale haben einen dünnen, 8m hohen Blas, während Buckelwale einen buschigeren 3m hohen Blas haben. Das wussten auch schon die Walfänger im 13. Jahrhundert, dass die Tiere so zu unterscheiden sind und gingen von den Küsten Schleswig-Holsteins aus auf große Grönlandfahrt, um von dort Walrat, Tran und Fleisch mit nach Hause zu bringen.

Arved merkt an, dass er seit 1989, seitdem er regelmäßig auf Erkundungsfahrten in den Gewässern um Ostgrönland unterwegs ist, noch nie so viele Wale in diesem Gebiet gesehen hat. Seit die großen Wale nicht mehr kommerziell bejagt werden, erobern sie sich wieder ihr altes Refugium.

Da drängt sich der Gedanke auf, wie mag das Meer hier wohl vor mehreren hundert Jahren ausgesehen haben, als die Tiere hier in Massen gelebt haben. Wir bekommen einen Eindruck davon, während wir langsam fahren und in der Ferne Buckelwale beobachten, als ein Tier ganz interessiert auf uns zugeschwommen kommt. Es hebt immer wieder den Kopf aus dem Wasser, dass man die kleinen Hauterhebungen auf seinem Oberkiefer bestens erkennen kann, bevor es wieder abtaucht. Andere zeigen beim Abtauchen ihre Fluken: Jedes Tier hat ein individuelles Muster, so hat man anhand von Fotovergleichen der Fluken feststellen können, dass Buckelwale sich im Frühjahr bis Sommer hier in den hohen Breiten um Grönland in ihren Nahrungsgründen, den kalten Gewässern aufhalten, um dann im Herbst in die 16.000 km entfernten tropischen Fortpflanzungsgebiete zu ziehen. Es ist toll, dass alles so hautnah miterleben zu dürfen.

 

Caro