Skjoldungen Sund

 

Die Südostküste Grönlands überrascht uns mit ihrer imposanten Landschaft und üppigen Vegetation. Wir segeln in den Sønder Skjoldungesund, den südlich der Insel Skjoldungen gelegenen Sund und finden im Caroline Amalie Havn einen geschützten Ankerplatz, der durch ein 10m breites und 5m tiefes Fahrwasser erreichbar ist. Mit Strömung und Wind von der Seite ist es kein Kinderspiel unbeschadet hier hinein zu manövrieren. In der Bucht legen wir Landleinen und sind kurz danach von scharenweise Midges und Moskitos umgeben, doch die Kulisse entschädigt für die unwillkommenen Besucher. Paddelnd und wandernd erkunden wir am nächsten Tag den Fjord und sammeln trauriger Weise auch hier, wo heutzutage so gut wie keine Menschenseele vorbeikommt, Plastikmüll aus dem Spülsaum: Plastiksäcke, einen Plastikballon, Trawlnetze, Tauwerk, etc. Der Caroline Amalie Havn scheint eine Art Falle für Angeschwemmtes zu sein: Einmal durch die Strömung und den Wind unter Land geschwemmt, kommt es aus dem Fjordsystem nicht mehr heraus und endet früher oder später an Land, wo Vögel, Füchse und Co. es mit Essbarem verwechseln können. Treibt es noch verfangen im Blasentang im Wasser können Robben und auch Seevögel Opfer des Plastiks werden.

 

Wie viel Einfluss der Mensch an so menschenleeren Orten hat zeigt sich auch mit Blick auf die Gletscher, die in das Fjordsystem um Skjoldungen fließen. So auch der Kong Skjolds Halvø Gletscher. An Bord haben wir alte Luftbilder aus den Jahren 1933 und 2013 unter anderem dieses Gletschers. Pablo, einer unserer begnadeten Drohnenpiloten bereitet alles an Deck vor, während wir in die Mitte des Fjords vor den Gletscher steuern. Wir stoppen auf und kurz danach liegt das uns inzwischen wohl bekannte Geräusch eines Hornissenschwarms in der Luft: Die Drohne wird auf ihre maximale Höhe von knapp 500m gebracht und Aufnahmen des Gletschers geschossen. Die uns vorliegenden Fotos sind etwa aus 4000m Höhe aufgenommen worden, daher können wir nicht exakt dieselben Einstellungen erreichen, aber dennoch: Man erkennt, das auch dieser Gletscher binnen nur 6 Jahren weiter zurückgegangen ist. Und das, obwohl er schon lange nicht mehr durch das Seewasser beeinflusst wird. Denn sobald ein Gletscher nicht mehr ins Meer kalbt, verlangsamt sich seine Fließgeschwindigkeit und somit eigentlich auch der Abtauprozess.

Mit derselben Herangehensweise machen wir noch Aufnahmen des Thryms und Skjoldungen Gletschers im Nordwesten der Insel Skjoldungen. Leider lassen sich auch hier bereits wesentliche Unterschiede erkennen.

 

“Heute Abend steht Fisch auf der Speisekarte”, ruft Thomas unser Smutje übers Deck, so dass es alle mitbekommen. Wir sind an die Mündung eines wie im Pilot beschrieben lachsreichen Flusses gefahren und haben dort den Anker geworfen. Thomas steht schon mit Kescher, Eimer und Belegnagel bereit, um sein Glück im Flusslauf zu suchen. Wir steigen zu fünft in unser Dinghi und machen uns auf den Weg zum nächstmöglichen Anlandungsort, von wo aus wir zu Fuß weiter den Fluss hinauflaufen. Das Dronning Marie Dal besticht durch den malerisch mäandrierenden Fluss, Blau- und Krähenbeergestrüpp, kleinere Büsche und einen fantastischen Blick auf Gletscher und den Sund, der gespickt mit Eisbergen vor uns liegt. Der nicht weit entfernte Gletscher Drøneren macht seinem Namen alle Ehre. In unregelmäßigen Abständen donnert es durch den Sund, wenn mal wieder ein Eisstück abbricht und unter Getöse ins Wasser stürzt. Drøneren bedeutet Donner.

Thomas und Peter schauen sich die Wasseroberfläche genauestens an und erfahrene Angleraugen entdecken eine potentielle Einbuchtung. Es dauert nicht lange und es zappeln 80cm lange Fische im Kescher – Arctic Char. Eine Delikatesse in europäischen Restaurants und auch wir freuen uns über den frischen Fang, der sogleich filetiert und wie versprochen zum Abendessen serviert wird. Nicht zu vergessen die gesammelten Beeren, die sowohl unser Müsli als auch unsere selbstgebackenen Muffins versüßen.

 

Unser letzter Stopp heißt Graahs Fjord oder Akorninnarmiit Oqqummut Kangertivat.

Der nach W.A. Graah, einem dänischen Marine Kapitän, benannte Fjord hält in seinem Eingang die Insel Imaarsivik mit einer perfekt geschützten Ankerbucht bereit – dem Graahs Havn. Hier überwinterte Graah 1829-30 auf seiner epischen Reise im umiaq – dem grönländischen Frauenboot von Qaqortoq nach Dannebrog Ø, 120 Seemeilen weiter nördlich, wo er auf Grund von Eis gezwungen war umzukehren. Viele Inseln, Fjorde, Kaps und Berge sind hier nach Graah, der auf Dannebrog Ø als erster die dänische Flagge hisste, benannt. Wieder fahren wir durch einen sehr schmalen und flachen Sund in eine Bucht und können uns rein mit Hilfe von Landleinen festmachen – wo kein Anker, da keine Ankerwache. Somit erfreuen wir uns alle über eine schlafreiche Nacht. In der kleinen Bucht finden sich Überreste alter Steinhäuser und -gräber, Krähenbeeren, aber auch wieder Plastikmüll. Unsere Sammlung an Deck wird immer größer. Und es zeigt sich weiterhin: Obwohl hier seit einiger Zeit kein Mensch mehr lebt, ist die Natur dennoch stets durch unser Handeln beeinflusst.

Am nächsten Tag segeln wir weiter in das Fjordinnere. Die steilen Hänge kanalisieren den auflandigen Wind und mit gesetzten Vorsegeln ziehen wir geräuschlos an Eisbergen und -schollen, kleinen und großen Wasserfällen vorbei. Die schieren Massen an Wasser lassen innehalten, ob es nun Gletscherflüsse oder Quellen sind. Manchmal lieblich, oft rauschend und wild, klein oder hunderte Meter hoch. Unsere Trinkwasservorräte sind auf jeden Fall gesichert und auch eine Dusche unter dem eiskalten Wasser lassen wir uns nicht entgehen.

Wie stille Wächter liegen riesige Eisberge vor dem Eingang des Fjords. Der Anker fällt in 30m Wassertiefe, wir genießen die letzten Sonnenstrahlen und können in der wieder fälligen Ankerwache einen Hauch von Polarlichtern erspähen. Eine Wanderung zum Ende des Tals hält alles für uns bereit: Kletterpartien, Moskitos, eiskalte Flussdurchquerungen, atemberaubende Aussichten auf Gletscher, Seen, Felsen, Berge, Blumenmeere, türkisblaues Wasser und lassen uns bei einigen Pausen innehalten und Grönlands Natur aufsaugen.