Wir haben die Bucht von Qaanaaq verlassen und segeln nach Thule, dem Ort benannt nach der Thule-Kultur, die dieser Region seinen Namen gegeben hat. Die Thule-Kultur entstammt der letzten große Einwanderungswelle über den zugefrorenen Smith Sund aus der Kanadischen Arktis vor rund 1000 v. Chr. in der langen Geschichte der polaren Migrationsströme. Noch heute leben die Nachfahren der Thule in dieser Region, die Forschung geht davon aus, dass die Thule sich damals mit der Dorsetkultur vermischt haben.

Unweit der alten Siedlung Uummannaq gründeten Knud Rassmussen und Peter Freudchen im Jahre 1910 die Handelsstation Thule am Fuße des Dundas. Der „Gipfel der Seelen“ liegt auf einer Halbinsel und sieht aus wie der Tafelberg in Miniaturausgabe, früher war es der Ort, um die Toten zu bestatten. Der alte Ort Thule ist um die Handelsstation gewachsen. Wir können gut verstehen, warum sich gerade an diesem Ort mehrere Kulturen niedergelassen haben, geschützt von den Bergen und umgeben von gleich drei Buchten mit hervorragenden Ankerplätzen liegt dieser Ort am Eingang des für uns gesperrten Wolstenholm Fjord (Uummannaq Kangerlua). Etwas Bedeutungsvolles umgibt diesen geschichtsträchtigen Ort.

Es muss eine Katastrophe für die damaligen Bewohner gewesen sein ihre Häuser zu verlassen. Im Jahr 1943 wurde an diesem lebensfeindlichen Ort eine meteorologische Station errichtet, umso im Krieg besser das Wetter in Europa vorherzusagen. Auf Grund seiner strategischen Lage wurde die Station schnell zu einem Luftwaffenstützpunkt ausgebaut. 1951 wurde zwischen Dänemark und den USA ein Verteidigungsabkommen abgeschlossen, 1953 mussten die Menschen ohne Entschädigung ihre Häuser verlassen und wurden nach Qaanaaq zwangsumgesiedelt. Bis heute wurden von den USA keine Entschädigungen gezahlt. Einzig der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sprach im Jahre 2004 den hier lebenden Inuit eine Kompensation zu, viele von Ihnen werden diesen Tag nicht mehr miterlebt haben.

Wir landen an, um Wasser zu holen

Im Rahmen eines 50-jährigen „Jubiläum“ wurde im Jahr 2001 eine Hundeschlittentour von Qaanaaq nach Pituffik, dem Grönländischen Namen der Thule Siedlung, veranstaltet und im Jahr 2003 ebenso beschlossen die gesamte Dundas Halbinsel zurück an den Grönländischen Staat zu übergeben. Für viele der ehemaligen Vertriebenen kam auch das zu spät.

Wir laufen durch die Siedlung und stellen fest, dass viele der Häuser wieder renoviert wurden. Im Jahre 1986 haben die Amerikaner erstmals Grönländer und Dänen auf dem Stützpunkt als Arbeitskräfte eingestellt. Wir treffen auf einen dänischen Mitarbeiter und er erzählt uns, dass viel der Mitarbeiter die verlassenen Häuser als Wochenendhäuser nutzen. So wandern wir durch den Ort und blicken in verlassene Häuser, verrostetete Spielplätze und entdecken auf dem Friedhof längst vergessene Gräber. Die alte Handelsstation von Rassmussen erstrahlt auch in neuem Glanz, steht aber leer.

Am Horizont entdecken wir eine Horde Moschusochsen. Wir beschließen uns etwas anzunähern, um einen besseren Blick zu erhalten. Dieses Vorhaben wird jedoch nach knapp einem Kilometer von einem Sicherheitshinweis des Militärstützpunkts unterbunden. Durchgang verboten. Wir sind irritiert, es ist das erste Verbotsschild, das wir seit langem in dieser menschenleeren Gegend antreffen. Beschließen jedoch, dass es keine gute Idee ist, mit einem geschultertem Gewehr – welches wir bei Landgängen als Schutz und zum Verschrecken von Eisbären immer mitführen – auf eine Amerikanische Basis zu laufen.

Auf dem weiteren Weg Richtung Süden machen wir noch kurz halt an einer nahegelegenen Jagdsiedlung, die scheinbar im Jahr 2006 das letzte mal genutzt wurde. Wir landen an, um Wasser zu holen. Wir nutzen immer wieder die Chance Wasser zu holen aus sauberen Bächen, die wir mit dem Fernglas identifizieren. So sparen wir Energie für den Wassermacher, welchen wir an Bord haben und entdecken so allerhand Neues. Meist vor allem Mücken, diesmal viele alte Hinterlassenschaften. Öfen, Öllampen, Besteck, Knochen, Hundeschlitten und Schlittschuhe und leider auch immer wieder viel Plastikmüll.

Justus