Die Tage werden wieder kürzer. Wir haben Kurs Richtung Süden gesetzt. Die letzten Nächte lagen wir vor Anker, bis auf die rotierende Ankerwache, sind wir immer in den Genuss gekommen auszuschlafen. Jetzt stehen uns wieder mehrere Seetage bevor. In der ersten Nacht auf unserem Weg runden wir das berühmte Kap York. Uns umgibt eine eindrucksvolle Stimmung. Die See ist glatt, der Nebel verzieht sich kurz vor dem Kap und wir durchfahren ein dichtes Eisbergfeld, welches am Kap von gegenläufigen Strömungen und Winden zusammengetrieben wurde.

Am nächsten Morgen frischt es auf und der Wind weht uns mit 4-5 Windstärken aus Südwest direkt auf die Nase. Unsere "Dagmar Aaen" schaukelt durch die Wellen. Die Kälte zieht durch die Kleidung durch, so dass wir uns meist in einer längeren Prozedur in 5 bis 6 Schichten einpacken, um der Kälte an Deck zu trotzen. Dabei hilft auch jederzeit der vielfältig vorhandene Tee von Lebensbaum, der in der Kälte die Lebensgeister wach hält. Diese sind auch dringend notwendig, da wir am Bug stehend ständig auf Treibeis und die von den Gletschern heraustreibenden Eisberge achten müssen. Insbesondere bei dichtem Nebel mit weniger als einer halben Meile Sicht. Dann ist es besonders wichtig konzentriert Ausschau zu halten, da auch das Radar nicht alles Eis erkennen kann.

In dieser lebensfeindlichen Umgebung bekommen wir unverhofft Besuch von einem der vielen Krabbentaucher (engl. Little Auk). Unser nicht mal 15cm großer Vogel scheint ein Jungtier zu sein, der sich bei dem Versuch uns zu überholen erschöpft hat und eine Notlandung auf unserem Deck machen musste. Nervös und ängstlich hüpft er von der Backskiste auf die Decksplanken. Es scheint in dieser Gegend nicht allzu häufig vorzukommen, dass Krabbentaucher ein Schiff auf hoher See antreffen.

Wir können viele dieser kleinen possierlichen Tierchen von Deck aus beobachten. Meist zwitschern sie ganz aufgeregt und versuchen vor dem Schiff wegzuschwimmen, um dann im letzten Moment abzutauchen. Krabbentaucher sind – wie der Name schon sagt – hervorragende Taucher. Deutlich bessere jedenfalls als Flieger. Auf der Südhalbkugel haben die Pinguine im Verlauf der Evolution das Fliegen verlernt. Auf der Nordhablkugel können die Alkenvögel nach wie vor fliegen, dies sieht jedoch, mit Verlaub, nicht gerade elegant aus. Versucht ein Vogel aus dem Wasser zu starten, dann erinnert dies eher an einen nassen Flummi, der über die Wasseroberfläche hüpft, es jedoch nicht schafft sich in die Luft zu heben. Im Robertson Fjord, in der Nähe des Meehan Gletschers, haben wir vor einer der riesigen Krabbentaucher-Kolonien ankern dürfen. Dort nisten die Vögel in den Felsen und stürzen sich zum Start die Klippen hinab, um dann im Kamikazetiefflug hinaus aufs offene Meer zu schießen, wo sie außerhalb der Brutsaison leben. Wenn eine solche Gruppe Krabbentaucher dicht am Schiff vorbeigerauscht ist, erinnerte die Geräuschkulisse an einen durchrauschenden Zug, so laut waren die erzeugten Luftverwirbelungen dieser kleinen Vögel.

Unserem kleinen Besucher gelang es mit einer kleinen Starthilfe ebenso den Weg über die Decksplanken zu finden, zurück im Wasser tauchte er sofort ab um in den weiten der Melville Bucht seine Krabbentaucherkollegen wiederzufinden.

Auf unsere Reise beobachten wir viele Seevögel aus der Familie der Alkenvögel: Trottellummen, Dickschnabellummen, Tordalken und Papageintaucher. Hinzu kommen unzählige Eissturmvögel, die elegant und neugierig an unserer Bordwand entlang segeln, Schmarotzerraubmöwen, Skuas, Seeschwalben und im Roberston Fjord sogar einen seltenen Gerfalken.

Unser nächstes Ziel ist eine unbewohnte Inselgruppe in der Melville Bucht. Dort wollen wir nach eine alte Schutzhütte Ausschau halten. Bis auf eine große Menge Plastikmüll an den Stränden der Insel finden wir jedoch nur noch Reste der Behausung und einen alten Funkmast. Wir nutzen daher unseren kurzen Aufenthalt um den kleinen Felsenstrand nach Plastikmüll abzusuchen. Einer ausführlichen Untersuchung macht leider das wechselhafte Wetter einen Strich durch die Rechnung. Anhand der meist sehr stumpf geschliffenen Plastikteile und dem Abstand zum Festland gehen wir davon aus, dass der Müll wohl gänzlich aus dem Meer angeschwemmt wurde. Auffällig ist nicht nur die schiere Menge des Mülls sondern auch der Anteil an Öldosen. Von einer Anwohnerin in Qeqertarsuaq wissen wir, dass diese von den Fischern mit Ihren großen Außenbordmotoren häufig dem Meer überlassen werden. Die restlichen Teile scheinen aus vielen verschiedenen Himmelsrichtungen zu kommen. Wir sammeln daher ein paar Proben für die Senckenberg Gesellschaft, vielleicht können uns die WissenschaftlerInnen später erzählen, woher der restliche Müll stammt.

Alex und Justus