Heute erreichen wir Qaanaaq, dieser Ort liegt malerisch am Berghang am Murchison Sund. Im Mai 1953 wurden die Einheimischen kurzer Hand und ohne eine angemessene Entschädigung von Thule hierhin umgesiedelt. An ehemaliger Stelle wurde die dortige US-Militärbasis im Kalten Krieg erweitert und die Bewohner mussten ihre Häuser verlassen. In der Bucht vor dem Ort treiben viele kleine und große Eisberge. Einen Hafen gibt es nicht. Wir suchen eine gute Ankerstelle, nicht zu flach, dass wir auch bei Niedrigwasser nicht auf Grund laufen, aber auch nicht zu tief, so dass wir von den großen Eisbergen verschont bleiben, die wegen ihres Tiefganges zuvor auf Grund laufen. Die rund um die Uhr eingeteilte Ankerwache muss hier besonders aufmerksam sein.

 

Qaanaaq hat ca. 600 Einwohner, darunter viele Jäger und Fischer, Schlittenhunde liegen überall an ihren Ketten. Neben einem Supermarkt findet sich eine Kirche, ein Museum mit sorgfältig zusammengestellten Exponaten der Inuit aus verschiedenen Jahrhunderten, eingeteilt nach den verschiedenen Einwanderungswellen. Zudem finden sich Überreste verschiedener Expeditionen u.a der von Robert Peary.

 

Unsere Aufmerksamkeit gilt bei diesem Aufenthalt auch der medizinischen Versorgung der Bevölkerung in dieser abgelegenen Region. Wir besuchen das örtliche Krankenhaus, in dem derzeit der Flensburger Chirurg Dr. Karl Vitt vertretungsweise arbeitet. Er ist hier weit und breit der einzige Arzt und für ca. 2.000 Einwohner verteilt auf 660.000 km2 zuständig. Die umliegenden Ortschaften sind z. T. mit Medikamentendepots ausgestattet. Dr. Vitt ist hier für alle möglichen medizinische Herausforderungen zuständig. Er kümmert sich um die Schwangeren, die Neugeborenen, sowie die Kinder - Vorsorgeuntersuchungen, Impfprogramme, alle möglichen Verletzungen, Infektionen, Herzerkrankungen, Asthmabeschwerden bis hin zu psychischen Erkrankungen. Ihm stehen sieben Mitarbeiter zur Verfügung. Ein Anästhesist oder eine Anästhesieschwester ist nicht dabei. Im Krankenhaus findet sich ein kleiner Operationssaal, eine Reanimationseinheit für Neugeborene, ein EKG, ein Ultraschallgerät, eine Röntgenanlage sowie ein Labor. Unterstützt wird er durch ein gut organisiertes Netzwerk an Fachspezialisten in Dänemark, die ihm telemedizinisch zur Seite stehen. EKG - oder Röntgen - Untersuchungen werden in kürzester Zeit befundet und helfen beispielsweise dabei die Notwendigkeit einer Verlegung besser zu beurteilen.

 

Die Verständigung mit den Patienten ist aufgrund der verschiedenen Dialekte auch mit Dolmetschern nicht immer einfach. Hier hat Dr. Vitt mit der Zeit auch gelernt die nonverbalen gestikulierenden Mitteilungen als wichtige Informationen mit aufzunehmen. Die Körpersprache sei in manchen Fällen sehr eindeutig und diagnosespezifisch.

Patienten, die operativ versorgt werden müssen, werden in der Regel mit dem Hubschrauber in die Hauptstadt nach Nuuk geflogen, Schwangere werden einige Wochen vor dem Termin zum Entbinden nach Ilulissat gebracht. Es kommt jedoch immer mal wieder vor, dass ein Kind früher kommen will und in Qaanaaq das Licht der Welt erblickt. Dr. Vitt hat als Chirurg die OP-Technik des Kaiserschnittes an der Charite in Berlin gelernt. Ohne Anästhesist ist es vor Ort jedoch ein schwieriges Unterfangen, da er gleichzeitig für die Narkose, die Operation und für das Neugeborene zuständig ist. Hebammen gibt es hier nicht. Ein Zahnarzt kommt sporadisch vorbei. Die Gesundheitsversorgung ist in Grönland für alle kostenfrei. Dr. Vitt findet das Arbeiten in dieser Abgeschiedenheit sehr spannend und fragt sich jeden Morgen, welche besondere Überraschung ihn wohl an diesem Tag herausfordert.

 

An Bord sind wir froh alle gesund zu sein, seit der letzten Überfahrt aus Island ist auch keiner mehr seekrank geworden. Für Notfälle an Bord weit ab von jeder medizinsichen Versorgung sind wir übrigens gut ausgerüstet und auch durch verschiedene regelmäßige Trainingseinheiten gut vorbereitet. Zuletzt mit der DGzRS in der Geltinger Bucht und ein erweitertes Erste-Hilfe-Training im April mit der DRF und der Hamburger Berufsfeuerwehr. Zur Abreise laden wir Dr. Vitt noch zu uns an Bord ein und er berichtet der Crew von den Besonderheiten seines Einsatzes. Danach lichten wir den Anker und treten unter Segeln unsere Weiterreise an.

 

Alex