Siorapaluk ist die nördlichste Siedlung der Welt. Zumindes ist es der nördlichste Platz auf Erden, der die längste durchgehende Besiedelungsgeschichte aufweist. Lediglich 40 Menschen zählt die Bevölkerung noch. Tendenz abnehmend. Seit Urzeiten ist es die Heimat der Inughuit, der Polarinuit.

Sechs Jahre ist es her, dass Brigitte und ich das letzte Mal in Siorapaluk waren. Entsprechend gespannt sind wir, ob wir unsere alten Freunde von damals wiedertreffen werden. 2012 hatten wir gemeinsam mit den beiden Jägern Ikuo und Qidlugtuq - beide aus Siorapaluk - den ersten Abschnitt einer schwierigen Hundeschlittenexpedition durchgeführt, die uns gleich zweimal über das grönländische Inlandeis geführt hat. Solche gemeinsamen Erlebnisse schweißen zusammen. Kaum haben wir die ersten Schritte an Land gemacht, als uns auch schon einer der beiden Jäger, Quidlugtuq, entgegenkommt und vor Begeisterung strahlt. Er hat uns sofort erkannt. Der sonst so zurückhaltende Mann nimmt zunächst Brigitte in den Arm, drückt sie, und dann mich. Es ist ein anrührender Moment. Die Wiedersehensfreude ist echt und steht ihm ins Gesicht geschrieben. Zeit hat in disen Breiten eine andere Bedeutung. Was sind schon sechs Jahre? Ganz gleich wie lange man sich nicht gesehen hat, einmal gschlossene Freundschaften sind zeitlos, überdauern Jahrzehnte.

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Wir suchen gemeinsam Ikuo in seinem Haus auf, sitzen in seiner Küche und trinken Kaffee. Aus seinem Küchenfenster sehen wir die "Dagmar Aaen" vor Anker liegen. Klar wollen beide an Bord und das Schiff sehen. Wenig später sitzen wir zusammen mit den Jägern und der Crew in der gemütlichen Messe an Bord, jeder wieder mit einer Tasse dampfenden, schwarzen Kaffee vor sich. Es ist eng und heiß und stickig, aber urgemütlich. Ikuo erzählt uns die letzten Neuigkeiten aus der Region. Wir haben für die beiden je ein Buch über unsere Hundeschlittenexpedition mitgebracht. Lesen können sie es nicht, aber die Fotos, auf denen die beiden zu sehen sind, lösen Begeisterung und Heiterkeitsstürme aus.

Stundenlang tauschen wir Neuigkeiten aus, erst spät am Abend fahren die beiden wieder an Land. Am nächsten Tag geht es mit der "Dagmar Aaen" in den Robertson Fjord bis zum Mehan Gletscher. Eine gewaltige Gletscherzunge wälzt sich aus 1400 Metern Höhe bis zum Fjord hinunter. Hier sind wir damals mit unseren Hundegespannen bis auf das Hochplateau aufgestiegen. Eine unglaublich einprägsame aber auch strapaziöse Tour. Sechzig Tage und rund achthundert Kilometer sind wir damals unterwegs gewesen. Am Fuß des Gletschers zu stehen und in Erinnerungen zu schwelgen, hat schon etwas Besonderes. Es ist als ob man eine Reise in seine eigene Biografie unternimmt.